Der Zunderschwamm (Fomes fomentarius) im Forschungsinstitut BIOPOL e.V.
Der Zunderschwamm (Fomes fomentarius)im Forschungsinstitut BIOPOL e.V.

1. Traditionspflege in Neustadt

 

Thüringer Rennsteigverein e.V.                          

Neustadt am Rennsteig

in der Mitte des Rennsteiges

Die Zunderschwammherstellung,

ein historischer Erwerbszweig in Neustadt am Rennsteig

 

Seit ca. 1700 trug die Zunderschwammherstellung wesentlich zum Lebensunterhalt der Menschen in Neustadt am Rennsteig bei.

Als im Jahre 1812 das Glasgewerbe zum Untergang verurteilt war, besannen sich die Bewohner von Neustadt am Rennsteig wieder auf die Zunderschwammherstellung, um weiterhin ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Zunderschwamm Fabrikation brachte unseren Dörfchen den Namen  „Schwammneustadt“ ein.

Die Neustädter zogen mit ihren Wägelchen oder der „Radebarre“ in die nahen Buchenwälder, bepackt mit leeren Leinensäcken, Tagesproviant, scharfen Messern und langen Reisighippen.

Der echte Zunderschwamm ( Fomes fomentarius ), Pilz des Jahres 1995, ist ein ansehnlicher, grauer, gedungener, hufförmiger Pilz, der bis zu 40 cm Durchmesser erreichen kann. Der Zunderschwamm wächst das ganze Jahr an Buchen und kann ein Alter von vielen Jahren erreichen. Er ist zum Ärger der Forstleute ein arger Holzzerstörer. Das vom Zunderschwamm befallene Holz wird sehr leicht und brüchig.

Die Oberseite des Fruchtkörpers ist durch konzentrisch verlaufende Wülste bzw. Furchen gegliedert. Jeder Wulst repräsentiert ein Wachstumsjahr. Das Alter des Zunderschwammes kann man an der Zahl der Wülste ablesen. Der Randwulst, der jüngste also, ist rostbräunlich. Im darauffolgenden Jahr wird er graubraun und dann grau. Unter der sehr harten, glanzlosen Rinde befindet sich eine zähe, flockig- weiche, rostbraune trockene Schicht. Das wildlederartige Werg wurde aus dem harten Wulst herausgeschnitten und in die mitgebrachten Leinwandbeutel gepackt. Die Tagesausbeute betrug etwa einen halben Zentner.

Zu Hause angekommen, wurde der Rohschwamm im Keller in heiser Asche gegoren, damit er „aufbrause und wild“ werde. Die faustgroßen Schwämme wurden in Salpeter gekocht, mit scharfen Messern in 3 cm dicke Scheiben geschnitten und getrocknet. Mit hölzernen Hämmern wird die Masse auf einen hölzernen Amboß bis auf das Zehnfache ihrer ursprünglichen Fläche geklopft. Die Lappen wurden noch einmal in Asche eingeweicht, danach getrocknet und mit den Händen durch Walken und Zupfen weichgerieben.

 

Die „Lunte“  war fertig - sie war unentbehrlich in Küche und Haus. Besonders begehrt war ein gleichmäßig brauner Zunder, wie ihn Neustadt`s Naturproduckt lieferte. Sogar die Engländer zündeten ihre „Shagpfeifen“ mit „German tinder“ aus Neustadt am Rennsteig an.

Als im Jahre 1842 die Zunderherstellung bereits ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurden in Neustadt 430 Zentner Feuerschwamm hergestellt.

Aber um den Zunder zu entfachen wurden Feuerstein und Feuerstahl gebraucht.

 

Der Feuerstein dient den Menschen schon seit Jahrtausenden als Rohmaterial zur Entfachung des Feuers. Die Hauptabbauzentren lagen in Frankreich und England. Da die Einfuhr die Ware stark verteuerte, versuchte man Feuersteine auch in Deutschland zu finden. Der Kalk Süddeutschlands enthielt ebenfalls Feuersteinknollen. Frisch der Erde entnommen läßt er sich am leichtesten zu handlichen, scharfkantigen Stücken spalten .

 

Der Feuerstahl wird zur Funkenerzeugung benötigt. Schlägt man mit rascher Bewegung mit

dem Feuerstein kleine Späne aus dem Stahl, oder springen dabei feine Partikel vom Stein selbst ab, erhitzen sich diese infolge der Reibungsenergie so stark, daß sie als glühende

Funken abspringen. Das Aussehen der Feuerstähle ist äußerst vielfältigund reicht von Werkstählen bis hin zu reich verzierten Kunstwerken.

 

Der Zunder oder Feuerschwamm wurde zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand gehalten, darunter kam der Feuerstein. Mit einem Stahl schlug man hart an die Kante des Feuersteines. Dabei lösten sich feine glühende Metallteilchen, die am Zunderschwamm ein Glutkissen erzeugten, daß durch fleißiges Pusten zum Entzünden gebracht wurde.

 

Als der natürliche Vorrat in unserer Umgebung zusammenschmolz, schickte man Aufkäufer in die Bergwälder Böhmens, des Schwarzwaldes, nach Österreich, der Schweiz,  Skandinavien und Spanien, damit sie suchten und sammelten. Der getrocknete Pilz wurde in viele tausend Säcke verpackt und karrenweise über die alten Handelsstraßen und den Rennsteig nach unserer Bergsiedlung gebracht. Der eingeführte Zentner Rohschwamm kostete rund 20 Taler, der fertige Neustädter Zunder bis zu 36 Taler.

Auf Grund ihrer sauberen Verarbeitungstechnik wurden die „Neustädter Schwammlappen“ von Chirurgen als blutstillendes Mittel angewandt.

Als die Phosphorzündhölzer die Lunte ersetzte, schlief die Aufbereitung des Feuerschwammes ein. Im Nu sank der Preis auf 26 Kreuzer für das Pfund Schwamm und fiel bedrohlich weiter.

Die „Schwammacher“ standen vor dem Ruin. Und doch brannten sich erfahrene Genießer ihre Sumatra, Brasil oder Havanna lieber mit dem wohlriechenden Schwamm an, statt mit der stinkenden Holzflamme. Das ermunterte einige alte Zundermacher, nach der Phosphorkrankheit, zum Schwammklopfen zurückzukehren.

Etwa 50 Luntenmacher überlebten die Wirtschaftskatastrophe nach dem Verbot der Phosphorhölzchen und produzierten immer noch 150 Zentner Zunderschwamm im Jahr.

In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg stellten die letzten Schwammklopfer Schmuckschwamm her. 

 

 

Schwammlied

des Schwammhändlers Wachtel von Neustadt am Rennsteig

 

Käft Schwamm! Käft Schwamm,

vom Thüringer Wold-Kamm,

aus Neustadt am Rennsteig !

Wos nis dahcht, schmeiß wag gleich !

Sreichhölzle un Schwamm !

Zwä Batzen kost`s z`samm.

 

Streichhölzle un Schwamm !

Käft, wos mer noch ham !

In Neüstodt am Rennsteig,

do sän mir Leüt net reich.

Streichhölzle un Schwamm

is ölls, wos mer ham.

 

Frisch, fröhlich, frei, fromm,

des is Neüstadter Schwamm !

un kümmt ner a Fünkle no,

do brüünnt er gleich lichterloh.

Laßt annere ner komm !Bei mir gits Neüstadter Schwamm !

 

Quellennachweis:

„Der Rennsteig“ von Otto Ludwig 1977/1991

„Pilze sicher bestimmen“ - Urania Verlag 1980

„Thüringen“ von Regel 1896

„Das Elend der Hölzchenmacher in der guten, alten Zeit“ - DFW 08.12.1953

„Gedichte in Henneberger Mundart“ von Paul Motz

Aufzeichnungen Manfred Kastner und Heimatstube

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